2004 eröffnete der Anhaltische Kunstverein mit Arbeiten
des Dessauer Künstlers Martin Hadelich, der im November seinen 100. Geburtstag feierte.
„Hinten in der Ecke steht eine “Kleine Rindergruppe", ein Frühwerk im Reich
der Lust. Vereinzelt tauchen Huftiere als Spielgefährten mit mythologischen
Verweisen auf. Wenige Männerköpfe verschwimmen hinter farbtrunkenen
Glasuren. Selten blicken sanfte Knabenaugen schlafwandlerisch auf dicke Grazien
und bezopfte Mädchen, auf unbefleckte Koketterie und laszive Gelüste.
Das schier exklusive Motiv des Martin Hadelich war die nackte Frau.
Zu den letzten Jubiläumsausstellungen war Martin Hadelich nicht erschienen. Am Sonnabend saß er
inmitten seines Konvents entblätterter Weiblichkeit und einer
ehrenden Anzahl von Gästen. Tränen der Rührung und die Mühsal des Alters
gesellten sich so zur Lebensfreunde der großen Sinnlichkeit kleiner Plastiken.
Martin Hadelich wurde 1903 in Einzingen als Kind eines Landpfarrers geboren. Er besuchte die
Fachschule für Feinmechanik in Ilmenau. Erst 1946 ging er in die Töpferwerkstatt nach Bürgel, wo er seine spätere Frau kennen lernte und die Gesellenprüfung ablegte. 1950 zog das Ehepaar
nach Dessau. Bald gab es erste, baugebundene Aufträge. An Neubauten entstanden Reliefs und
Putzschnitte, welche das Ehepaar, wie die späteren keramischen Wandreliefs, gemeinsam
realisierten.1960 erhielt Martin Hadelich von der Stadtbibliothek Dessau seinen
ersten Auftrag in Bronze, das „Lesende Mädchen“. Andere Plastiken für den
öffentlichen Raum folgten, wie die „Völkerfreundschaft“. Das durchaus nicht
unpolitische Thema geriet unter der Hand des Künstlers nicht zum fahnen-
schwenkenden Mahnmal auf staatstragendem Postament. Europa und Afrika
begegnen sich in Gestalt zweier Frauen typisiert und ahnungsvoll. Die Übermacht
der Burg Giebichenstein und eine Auseinandersetzung mit dem „Beirat für
bildende Kunst und Stadtplanung“ brachten 1974 das Ende öffentlicher Aufträge.
Jetzt entsteht, was in der Ausstellung versammelt ist, tanzende, liegende, sitzende, weibliche Akte, modellierte Kleinplastiken, Sinnlichkeit in Serie.
Stumm verträumt, weich und anschmiegsam sind Hadelichs Tuschzeichnungen.
In wahrlich schönen Farben und fließenden Formen erscheinen kleine
Glasurbilder. Hinter matten und glänzenden Glasuren, die nicht selten andere
Materialien beschwören, posieren Pikanterie und Humor, Lust und Einsamkeit.
Manchmal sind die Kleinplastiken ironisch (im Wortsinn) überspitzt, manchmal
genüsslich gerundet. Die endlos posierende Weiblichkeit steht einsam im Raum
oder wird verspielt märchenhaft als Wandrelief in Szene gesetzt. Gerade die
schlichten, älteren Arbeiten bezeugen, dass der nackte Körper mehr
zu transportieren vermag als Fleischeslust – die aber ist, Elixier oder nicht, irgendwie gesund."
Gekürzt. c. THOMAS ALTMANN, MZ DESSAU.